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Der Wald

Konzert für Pauken und Orchester

O Baum des Lebens, dass ich wieder grüne mit dir
und deine Gipfel umatme mit all deinen
knospenden Zweigen!
friedlich und innig, denn alle wuchsen wir aus
dem goldenen Samenkorn herauf!


Friedrich Hölderlin; Hyperion
Orchesterbesetzung
4 Hörner in F
3 Trompeten in B
3 Posaunen
Tuba
Harfe
Streicher (große Besetzung)


Pedalpauken

Siegfried Matthus' Paukenkonzert „Der Wald“ besteht aus drei Sätzen, die ohne Pause aufeinander folgen. Dem Solisten steht ein reduziertes Orchester gegenüber, ohne Holzbläser und ohne Schlaginstrumente, aber besetzt mit Blechbläsern (4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba), Harfe und vollem Streicherkorpus. Aber für das Verhältnis von Solo und Tutti ist die spielerische oder konflikthafte Gegnerschaft gar nicht so charakteristisch; viel mehr korrespondieren sie, „reden“ und „fühlen“ miteinander, teilen Gestik, Farbe, Figuren und Motive, ohne dass die Pauken dadurch in ihrer führenden Position und virtuosen Beanspruchung beeinträchtigt werden.
Der erste Satz verläuft überwiegend in ruhig fließendem Tempo; die Ausdrucksvorschrift heißt „einfach, mit Empfindung“. Hier ist die Musik an ihrem Ausgangspunkt und so etwas wie ein Stimmungsbild der Erinnerung, was der Wald romantischerweise vielleicht einmal bedeutete oder wirklich suggerierte: ein Ort der Ruhe und Sammlung, der Naturlaute und des Liebesgeflüsters, aber auch der Jagd und der Gejagten, der sagenhaften Feen und Dämonen. Vieles davon scheint in den Klängen eingefangen: in den sphärischen zarten Akkorden, dem Raunen und Gewisper der Streicher, im Monolog und Dialog redender Kantilenen, in geheimnisvollen Rufen und unheimlichen Antworten; und es fehlt der romantische Hörnerklang ebenso wenig wie das gedämpfte Signal der Trompeten. Im Mittelabschnitt des Satzes wird die atmosphärische Ruhe gestört; es kommt zu Erregungen, zu einem vibrierenden Drängen und zu einer dramatischen Steigerung, als würden böse Gewalten eindringen, abgewehrt und vorerst - in einer reizvollen Reprise - wieder verdrängt werden können.
Mit einer schneidenden Dissonanz der Blechbläser beginnt der zweite Satz, gefolgt von einem sonderbaren Klangbild: auf zarte, reine Dur-Akkorde (Bässe) schweben, wie giftige Wolken aus unzähligen Staubpartikeln, aufwirbelnde Flagolett-Arpeggios der Streicher hernieder. Hieran schließt sich eine Trauer- und Klagemusik. Der Klang ächzt und stöhnt, wird gläsern und droht auszudörren, er schrumpft auf ein Tongerüst zusammen, das passacagliaartig von Harfe und Bratsche markiert wird und schließlich in zersprengten Klage- und Seufzerfiguren mündet.
Dagegen wehrt sich zu Beginn des dritten Satzes der Solist mit energischen Gesten in seiner Kadenz; und das ganze Orchester unterstützt ihn bei diesem furiosen Finale, das Haltungen einer schwungvollen Aufbruchs ausprägt. Es ist zugleich ein rhythmisch virtuoses Stück und ein schlagender, swingender, aufregender Einspruch gegen alles Kleinmütige und Großsprecherische. Aber es kehrt am Ende noch einmal zum Anfang des ganzen Konzerts zurück, nur dass nun die romantische Vision wie eine offene Frage an die Zukunft weitergegeben wird - mit der Skepsis und mit der Hoffnung, es möge Hölderlins Spruch bedacht werden und dessen schönes Wort wahr sein, dass da, wo Gefahr droht, auch das Rettende wachse.
(aus dem Programm zum 2. Abonnementkonzert 2004/05, Kulturraumorchester Leipziger Raum gGmbH)